Samstag, 11. Juni 2011

La Luna

Luna strahlt in ihrer vollen Pracht auf meinen verrotteten - oder besser gesagt
- toten Körper.


Doch ich spüre ihre Strahlen, die mich sanft streicheln, nicht. Ich sehe sie mir genau an mit meinen toten Augen, es ist so, als würde sie traurig auf mich hinab schauen und eine ihrer Tränen für mich vergießen wollen.


Doch auch das vermag in mir nichts zu regen, nur die endlose Leere sagt mir gute Nacht. Wie viele Jahrhunderte mag es her sein?


Ich weiß es nicht mehr – genauso wenig wie ich weiß, was ich glaube wissen zu wollen. Allein wandelte ich unter euch Menschen, ausgestoßen von Meinesgleichen, getreten und angespuckt.


Nur weil ich als Letzter das Leben ehrte und es schützen wollte? Das Eine kann ohne das Andere nicht sein. Woher will man wissen, was Tag bedeutet, wenn es keine Nacht gibt?

Ohne die Nacht gibt es keinen Tag. Ihr alle seid von den Jahrhunderten abgestumpft, ihr fühlt keinen Schmerz und kein Leid, nur die große Leere, die sich auch in mir ausbreitet.


Ihr, Meister, sagtet mir: „Verliebt Euch nicht in einen Sterblichen, denn der
Verlust schmerzt zu stark, um ihn für immer auf den Schultern tragen zu
können, denn sie lieben zu sehr und sterben zu rasch."


Nun weiß ich, was ihr meintet, und doch scheint mir die unendliche Liebe zu
einem Meinesgleichen grausamer.


Eines Tages zog sie sich mich in ihren Bann und ließ mich fortan leiden als
Strafe für das, was ich bin: eine Kreatur der Nacht. Ewig auf der Suche nach
dem Gold der Dunkelheit, den Lebensstrom der Menschen, unersättlich in meiner Gier, nie rastend.


So schaute sie von oben auf mich herab. Ich dachte dereinst „Ich werde nie wie
ihr Meister werden", doch nun macht sich die Qual in mir breit, nichts mehr
fühlen zu können.


Meine Seele rennt schnell auf eine Klippe, springt, um der Nacht zu entkommen,
und fällt. Noch nicht am Grund der Zeit angekommen kämpft sie noch und wehrt sich gegen das, was sie werden soll.


Noch ist mein Kampf nicht vorbei, denn ich kann immer noch Schmerz empfinden, tief im Inneren meiner selbst. Es ist wie ein kleines Feuer, welches jeden Moment auszugehen, zu erlöschen droht, doch es brennt so lange wie ich dich habe, meine Liebe, erst dann wird es mit dem Wind fortwehen und versiegen, im Strom der Zeit.


Nun klebt auch Euer Blut an meinen Händen, weil ich euch nicht glauben wollte.
Jetzt weiß ich, dass ich mich geirrt habe, verzeiht mir. Ihr sagtet nur: „Niemand ist so blind wie der, der nicht sehen will.

Und dennoch vergebe ich dir, mein Sohn..." Das waren Eure letzten Worte, bevor Ihr in den Kreis der Lebenden eingegangen seid.


Ich danke dir, Luna, dass du mir die Augen öffnetest, was für ein Monster ich
doch geworden bin, das ich aber zu sein nie verlangte.

Tagebuch Valandirel Schattenweistänzer 2

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